Am Dienstag, 15.2.2022 um 10h hatte ich Akteneinsicht nach dem Landesinformationsfreiheitsgesetz zum Langen Anger in der Bahnstadt. Demnach muss die Verwaltung alle Dokumente zum Thema “Entwidmung” (Sperrung) eines Teilabschnitts im Langen Anger der Bahnstadt zu Verfügung stellen. Bei der Akteneinsicht waren ausschließlich Stellungnahmen und E-Mails zu finden. Protokolle von Besprechungen lagen nicht vor.
Um die Entwicklung einer leistungsfähigen, nachhaltigen und klimafreundlichen Mobilität weiter voranzutreiben, sollen mit einer Regelung zur Teileinziehung die veränderten Mobilitäts- und Raumansprüche im öffentlichen Straßenraum Berücksichtigung finden. Durch eine Neuverteilung von Flächen kann umweltfreundlichen Mobilitätsformen im öffentlichen Straßenraum mehr Raum gegeben werden. …Mit der Aufnahme einer Regelung zur Teileinziehung wird klargestellt, dass im Wege einer nachträglichen Widmungsbeschränkung öffentliche Flächen für umweltfreundliche Verkehrsarten umgestaltet werden können. (LINK zum Gesetz)
Im Folgenden versuche ich chronologisch wiederzugeben, was passierte um am Ende ein Fazit zu ziehen.
Ein Entwidmungsverfahren oder auch Teilentwidmungsverfahren nach dem Straßengesetz Baden-Württemberg erfolgt in zwei Schritten:
1. Bekanntgabe der Entwidmungsabsicht auf der Grundlage eines GR-Beschlusses: hier besteht die Möglichkeit, Einwendungen zu erheben.
2. Veröffentlichung der Einziehung (=Verwaltungsakt) wiederum auf der Grundlage eines weiteren GR-Beschlusses, bei dem die nach dem ersten Schritt erhobenen Einwendungen abgewogen werden und das weitere Vorgehen festgelegt wird (= Veröffentlichung der Einziehung, wenn dem Widerspruch nicht gefolgt wird). Dieser Schritt kommt als nächstes in 2021, beginnend mit der Beratung im Bezirksbeirat. Erst gegen die Veröffentlichung können förmliche Rechtsmittel eingelegt werden (Widerspruch und Klage). Erst nach diesem zweiten Schritt hat die Stadt die Möglichkeit, die Teileinziehung technisch umzusetzen – unter Beachtung der aufschiebenden Wirkung möglicherweise eingelegter Rechtsmittel.
Ziel meiner Recherchen ist: eine sofortige Umsetzung des Beschlusses vom 23.7.2020 zur Verkehrssicherheit in der Bahnstadt durch die Sperrung für KFZ auf Höhe der Grundschule und Kita am Gadamer Platz/Pfaffengrunder Terrasse.
19.7.2019
Demo am Langen Anger für die Sperrung des Langen Angers zur Verkehrssicherheit.
BM Odszuck verspricht: Langer Anger soll mit Pollern gesperrt werden.
Die Rhein-Neckar-Zeitung berichtet.
September 2019
temporäre Sperrung des langen Angers Höhe Schule durch die Verwaltung aus “Sicherheitsgründen”
Die Rhein-Neckar-Zeitung berichtet.
Okt 2019
CDU Fraktion stellt Antrag auf “Rücknahme der Sperrung”. Die Verwaltung lehnt diesen wegen fehlender Zuständigkeit des Gemeinderat ab.
14.2.2020
Schreiben des OB zur Begründung der Ablehnung des CDU Antrags und zur Zulässigkeit der Sperrung
Schreiben zum TOP_Antrag_Langer_Anger
23.04.2020
Mail vom Rechtsamt mit einem Entwurf der Widmungsänderung (“Angesichts der Tatsache, dass mit Klagen zu rechnen ist, sollte die Begründung sorgfältig bearbeitet werden.”) an das Amt 66 (Tiefbauamt).
Empfehlung in der ausgearbeiteten Vorlage des Rechtsamts “im Rahmen der für nachträglichen Widmungsbeschränkungen gebotenen Ermessensausübung wird die Beschränkung für geboten gehalten”
Auch auf Kritik des Amtes 61 wegen ggf. fehlender städtebaulicher Begründung wird in einer Ergänzung entsprechend eingegangen.
28.04.2020
Antrag der Grünen (DS 0056/2020/AN) zur Entwidmung der Teilfläche nach §7 Straßengesetz
20-04-28 TOP-Antrag Geh- und Fahrr echt für Teilstück Langer Anger
25.6.2020
mit Arbeitsauftrag an die Verwaltung beschlossen im Bezirksbeirat
(unter demokratischer Mitwirkung der späteren Einwender!!)
1.7.2020
beraten und beschlossen im Stadtentwicklungsausschuss
Ja: 11, Nein: 04, Enthaltungen: 02
23 Juli 2020
Beschluss im Gemeinderat zur Einleitung des Verfahrens der Entwidmung 32 JA, Nein: 14, Enthaltungen: 2
Beschlussvorlage_Beschlusslauf (40)
die Rhein-Neckar-Zeitung berichtet
19.08.2020
Einziehungsabsicht (entspricht der rechtlich notwendigen Anhörung) der Teileinziehung des betreffenden Bereichs im Stadtblatt veröffentlicht
19.08.2020
Schreiben aus dem städtischen Rechtsamt: Urteil des VG Karlsruhe zu Widmungsänderung und zwei Fällen aus Freiburg und Schwetzingen bestätigt das geplante Vorgehen der Verwaltung, dass zur Rechtssicherheit ein Beschluss des GR über Einwendungen erfolgen müsste. (siehe “übliches Vorgehen”)
19.08.2020
Ein Widerspruch geht ein; Begründung: Es gäbe keinen “Gadamer Platz”
18.11.2020
Eine! gemeinsame Einwendung eines Jurastudenten und 2 weiteren Personen mit gleichem parteipolitischem Hintergrund.
22.11.2020
Mail von Stadtrat Grädler an Bürgermeister Odszuck zum Sachstand:
Rückmeldung: April 2021 und letztlich GR Juni 2021 soll über die Einwendungen “beschließen”.
bzgl. einer Sperrung bis zur finalen Klärung schreibt BM Odszuck in einer internen Vorlage: “Widerspruch und Klageverfahren haben keine aufschiebende Wirkung, sodass nach Bekanntmachung des GR Beschlusses am 10.6. vollzogen werden kann und das sollten wir auch tun sofern die Risiken überschaubar sind”
24.11.2020
Hinweis des Rechtsamt an BM Odszuck, dass es sich beim o.g. Einwendung nicht um ein “Rechtsmittel”, sondern nur um eine Einwendung handelt mit dem Hinweis, dies über eine Vorlage im GR zu klären.
26.11.2020
Info aus dem Rechtsamt zur Möglichkeit der neuen Gesetzgebung mit Ergänzung von §7 StrG um Satz 2, der die Voraussetzungen einer Widmungsänderung nun ausdrücklich regelt mit dem Hinweis, diese neue Regelung zu nutzen!
“Um die Entwicklung einer leistungsfähigen, nachhaltigen und klimafreundlichen Mobilität weiter voranzutreiben, sollen mit einer Regelung zur Teileinziehung die veränderten Mobilitäts- und Raumansprüche im öffentlichen Straßenraum Berücksichtigung finden. Durch eine Neuverteilung von Flächen kann umweltfreundlichen Mobilitätsformen im öffentlichen Straßenraum mehr Raum gegeben werden …Mit der Aufnahme einer Regelung zur Teileinziehung wird klargestellt, dass im Wege einer nachträglichen Widmungsbeschränkung öffentliche Flächen für umweltfreundliche Verkehrsarten umgestaltet werden können”
Gesetzesentwurf zur Neuregelgung des §7 StrG Satz 2
03.12 .2020
schriftliche Frage von Stadtrat Christoph Rothfuß (Grüne)
Antwort BM Odszuck: “Mit diesem Abwägungsergebnis werden wir dann in den Bezirksbeirat Bahnstadt gehen und natürlich auch in den Haupt- und Finanzausschuss und den Gemeinderat. Und insofern wir alles gut abwägen konnten, können Sie dann beschließen, dass der Entwidmungsakt vollzogen wird.”
Fragezeit_Stadtrat Christoph Rothfuß
Ab diesem Zeitpunkt sind keine relevanten Unterlagen, keine Besprechungsnotizen (auch in der Akteneinsicht) mehr zu finden.
Eigentlich wäre es wie oben skizziert weitergegangen um über den Einwand zu entscheiden:
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Beschlussvorlage der Verwaltung zur Entscheidung über die Einwendung
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Veröffentlichung der (Teil-) Einziehung im Stadtblatt
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Umsetzung der Maßnahmen
lediglich eine Stellungnahme von Amt 61, Frau Friedrich 28.5.2021 und ein kleiner Post-It vom 7.6.2021 “TOP bleibt vorerst abgesetzt, verwaltungsinterne Klärung am 29.6.”
In den Unterlagen war die Beschlussvorlage zu finden, die entsprechend eine Beratung am 23.6.2021, 29.6.2021 und final am 22.7.2021 vorgesehen hätte. Wieso diese nicht beraten wurde ist nicht ersichtlich.
16.9.2021
Nachfrage von Stadtrat Grädler in der Fragezeit
6. und 25.10. 2021
Schreiben der Elternbeiratsvorsitzenden der Bahnstadtschule und Ankündigung einer Demo zur Eröffnung der Pfaffengrunder Terasse
21.10.2021
“Sprechzettel” zur angemeldeten Demo und Eröffnung der Pfaffengrunder Terrasse werden vorbereitet. In den Ausführungen des Amt 66 wird dieses Mal die Neufassung des §7 Abs 1StrG BW zitiert, wie vom Rechtsamt vorgeschlagen. Allerdings kommt das Tiefbauamt wohl zu einem anderen Ergebnis wie das Rechtsamt und Argument mit ihrer Einschätzung, dass wohl “gerichtsfeste” Gründe alleine durch querende Kinder oder Vernetzung nicht gegeben sei. Das Amt nimmt aber die anderen Gründe des Rechtsamt aus 2020 oder der gefertigten Vorlage nicht in ihre Begründung im internen Sprechzettel auf.
Verwunderung auch beim Bürgermeister “Das Ergebnis unseres Termins (leider lagen keine Protokolle von Terminen vor) war ein anderes”.
Auch die Rhein-Neckar-Zeitung fragt bei der Verwaltung nach dem Sachstand
23.10.2021
Demo zur Sperrung des Langen Anger
Oberbürgermeister Würzner und EBM Odszuk versprechen den Anwesenden eine “zeitnahe Umsetzung”
Die Rhein-Neckar-Zeitung berichtet.
10.11.2021
Interne Mail und Papier von Amt 66 auf Grund von mehreren Anfragen (Presse, Bürger, Stadträte). Eine Kommunikation nach außen “soll nicht erfolgen”. Auch zum weiteren Vorgehen: “Ein Zeitschiene könnte “nicht genannt” werden.”
“Die Überprüfung der Einwendungen vom Herbst 2020 seien noch nicht abgeschlossen”
Eine Entscheidung solle rechtssicher getroffen werden. Die o.g. Argumente des Rechtsamtes werden nicht erwähnt.
Neu: Man wolle nun eine kompliziertere Variante prüfen um Rechtssicherheit zu erreichen. “Amt 61 arbeitet daran. Ein Zeitziel ist uns nicht bekannt”
18.01.2022
Auch weitere Akteure fordern eine Sperrung des Langen Angers
Die Rhein-Neckar-Zeitung berichtet.
15.02.2022
Stadtrat Felix Grädler (Grüne) hat Akteneinsicht und fordert Bürgermeister Odszuck auf, die klärende Beschlussvorlage umgehend in den Gremienlauf zu bringen um schnellstmöglich für eine rechtssichere Entscheidung zu sorgen.
Mein Fazit:
Dass wir nun nach so langer Zeit kein Ergebnis haben halte ich für einen Skandal!
Zum einen, dass es eine Verwaltung nicht schafft, einen Beschluss des Gemeinderates in einer verlässlichen Zeit umzusetzen, zum anderen eine desolate Informationspolitik der Stadtspitze die Raum für Spekulationen lässt.
Ich freue mich, dass Bürgermeister Odszuk nun angekündigt hat, sich nochmals verstärkt in der Sache einzusetzen und einen verbindlichen Zeitplan für die weiteren nötigen Beschlüsse vorzulegen. Jedoch ist es nicht akzeptabel, sollte dies nicht in einem angemessenen Zeitraum passieren!
Zum anderen, dass es die CDU durch mangelndes Demokratieverständnis (Akzeptanz von Mehrheitsbeschlüssen) schafft, die Sicherheit der Kinder in der Bahnstadt zu gefährden.
Es ist wirklich traurig als Stadtrat hier tatenlos zuschauen zu müssen und zu sehen, wie die Verwaltung durch solche Einzelaktionen der politischen Profilierung blockiert wird.
„Dass nach so langer Zeit hierzu immer noch nichts passiert ist, halte ich für einen Skandal! Es kann doch nicht sein, dass es der Verwaltung nicht möglich ist, einen Beschluss des Gemeinderates in angemessener Zeit umzusetzen. Und fast zwei Jahre ist bei einer derart kleinen Maßnahme nun wirklich nicht mehr angemessen. Wir sind auch erstaunt über die schwache Informationspolitik der Stadtspitze. Ich habe etwas Hoffnung, da der Erste Bürgermeister Herr Odszuck nun angekündigt hat, sich nochmals verstärkt für diese Sache einzusetzen.”
„In der grünen Fraktion sind wir uns einig, dass der Beschluss jetzt schnell umgesetzt werden muss.Wir können froh sein, dass bis jetzt kein Kind zu Schaden kam. Erst kürzlich hat ein Auto ausgerechnet das Verkehrsberuhigungsschild angefahren. Man will sich nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn das ein Mensch gewesen wäre. Auch die Tatsache, dass die juristischen Einwendungen lediglich von Bezirsbeiräten stammen, macht mich fassungslos. Sie zeigen damit nicht nur, dass sie die demokratisch gefasste Mehrheitsentscheidung des Gemeinderats nicht akzeptieren, sondern blockieren auch die Verwaltung und riskieren die Sicherheit der Kinder in der Bahnstadt. Wir können hier nicht tatenlos zuschauen, wie durch die Missachtung von demokratischen Beschlüssen die Sicherheit der Kinder in der Bahnstadt gefährdet wird. Deshalb fordern wir den Oberbürgermeister auf, eine sofortige Sperrung des Langen Anger, so wie 2020 auf demokratischem Wege beschlossen, endlich umzusetzen – und zwar ohne Umwege!“